Die Verteidigung des Idylls
2. Ausstellung in der Festung Dömitz, Galerie Hauptwache
Eigentlich könnte es ganz einfach sein: In Zeiten, in denen im Zeichen des postmodernen Prinzips das >Anyming goes< (frei übersetzt: >Nichts ist unmöglich<) zahlreiche Schulen und Stile der Kunst koexistieren, könnte das Idyll als eine unter vielen akzeptiert sein. Doch so einfach ist es nicht. Anders als etwa dem eklektizistischen und von leerer Provokation bestimmten Sammelsurium eines Johannes Meese wird dem Idyll nach wie vor mit großem Vorbehalt begegnet. Einer, dessen Arbeiten seit 30 Jahren antreten, es zu verteidigen, ist der Maler Ulrich Pietzsch aus Kukate. Er tut das, wie eine Ausstellung aus Anlass seines 75.Geburtstages in der Festung Dömitz zeigt, mit seinen Bildern, er tat das am Sonntag auch in einer Rede zur Vernissage. Mit guten Argumenten.
Die Bilder Ulrich Pietzschs sind umstandslos dem Genre des Naiven zuzuordnen, farbenprächtig, bis ins Detail auskomponiert, zeigen sie Freuden und Feste, Menschliches und Naturschönes. Sie zeigen es mit Witz; da ist ein sich liebendes Paar auf einer Blumenwiese, das ein Vogel sich als Sitzplatz auserkoren hat, ein anderes Paar, das sich noch sucht, wird aus einem Kornfeld heraus von einer Katze beäugt. In der Nähe hängen ein Don Quichotte auf einem Schaukelpferd, ein >Städter auf der Kuh<, sitzen Katz und Hund traulich vereint am Tisch.
Besonders gelungen sind die großformatigen Arbeiten in Öl, die Technik treibt die Idyllik des Gezeigten auf die Spitze, setzt es frei und nimmt ihm in ihrer Klarheit der Konturen zugleich jede Übertreibung, die sie scheitern lassen würde. Die kleinern Bilder in Aquarelltechnik, oft Skizzen oder Entwürfe, wie Pietzsch erklärt, bleiben den Arbeiten in Öl gegenüber blass, laufen manchmal Gefahr, zu weit zu schön zu sein. Auch die Erkundung der Welt des Idylls ist ein Ritt auf des Messers Schneide.
Dass es dennoch Gründe gibt, sich nicht nur subjektiv dem Idyll zu verpflichten, machte der in der DDR aufgewachsene und 1982 ausgebürgerte Maler aus Kukate in seiner Rede deutlich: >Es muss nachgedacht werden<, beschrieb er die Kunst der Moderne wie der Gegenwart. Sie wolle die >Herrschaft des bildnerischen Ausdrucks über die Natur< sein, benannte Pietzsch, was Stärke und Defizit zugleich dieser Kunst ist, was undialektisches Denken übersieht, wenn es ersteres genauso umstandslos akzeptiert wie es das zweite ausblendet. Es gehe ihm darum, die >stets auf Aktualität< bedachte Idylle >in Beziehung zur Moderne zu setzen< und als > die zweite Seite der Medaille der heutigen Kunst< zu verstehen, verdeutlichte Pietzsch seine Position. Die begründet er mit dem Verweis auf das >Geheimnis der Idylle<, auf deren >Beitrag zur Reproduktion der Humanisierung des Menschen, zu seiner Entbrutalisierung<. Seine Kunst solle >im Augenblick des Sehens einen nachhaltigen Genuss, Trost und Befriedigung auslösen<.
Dass abstrakte Kunst >in absolutem Widerspruch zu allem steht, was in tausenden Jahren zuvor als Kunst entstanden war<, dass bei ihr die Empfindung erst nach der >rationalen Entschlüsselung< komme, wie Ulrich Pietzsch sagte – ganz so einfach ist es vielleicht doch nicht. Doch seine Bilder und Argumente weisen mit Qualität auf eine Qualität, die oft verloren geht.
tj
Elbe-Jeetzel-Zeitung 18.10.2012